Die KMU-Branchenexperten über die Auswirkungen der Pandemie, die wirtschaftlichen Aussichten für das Jahr 2021 und was wir durch die Herausforderungen für die Zukunft lernen können.
Know-how aus Österreich für Österreich
Roland Sommer
DI Roland Sommer, MBA
Geschäftsführer Plattform Industrie 4.0
Photo: Johannes Zinner
Innerhalb weniger Wochen wurden wir Zeugen eines dramatischen Wandels: In kürzester Zeit wurden Strukturen in Unternehmen geschaffen, die für viele neue Einsatzgebiete „Work from Home“ ermöglichen. So mussten neue Wege der Interaktion mit Kunden gefunden werden. Ein Beispiel dafür ist die Abnahme von Maschinen und Anlagen über Vertriebspersonen mithilfe von Datenbrillen am anderen Ende der Welt.
Neue Organisationsformen gewinnen damit ebenso an Bedeutung wie neue Ansätze der Finanzierung, beispielsweise über As-a-service- oder Pay-per-use-Ansätze.
Wir haben in Österreich sowohl an Unis, FHs und Forschungszentren als auch in vielen Unternehmen umfassende Expertise. Gehen Sie auf diese zu, Sie erhalten dadurch Zugriff auf umfassende Expertise, oft auch in Ihrer Region. Auch FFG, aws und die Wirtschaftsagentur in Ihrem Bundesland bieten maßgeschneiderte Unterstützungen an. Industrie 4.0 in der Praxis benötigt oftmals keine großen Investitionssummen, sondern vor allem den Willen, sich mit neuen Themen oder Partnern zu beschäftigen. Wenn wir alle zusammenarbeiten, kommen wir gemeinsam gestärkt aus dieser schwierigen Zeit.
F&E, Innovation und der zweite Lockdown
Bernhard Dachs
Senior Scientist AIT Center for Innovation Systems & Policy
Photo: AIT/Krischanz Zeiller
Österreichs Unternehmen leiden bekanntlich unter den Maßnahmen gegen den Covid-19-Virus. Der erste Lockdown im Frühjahr hat auch den F&E- und Innovationsaktivitäten von Unternehmen geschadet, auch wenn wir noch nicht wissen, wie groß die Verluste sind. Unternehmen werden in schlechten Zeiten vorsichtiger und reduzieren Zukunftsinvestitionen wie F&E deutlich. Das haben wir in einer Studie im April aus Daten der Wirtschaftskrise 2008 ableiten können.
Aufgrund der anhaltenden wirtschaftlichen Unsicherheit könnten F&E und Innovationsaktivitäten 2021 weiter gekürzt werden. Der zweite Lockdown könnte besonders für F&E in kleinen und mittleren Unternehmen schmerzhaft werden. Daten von Statistik Austria zeigen, dass KMUs unter fehlenden Mitteln für die Innovationsaktivitäten wesentlich stärker leiden als große Unternehmen.
Wie in allen Wirtschaftsflauten werden auch diesmal jene Unternehmen langfristig besser aussteigen, die innovativ bleiben. Das konnten wir ebenfalls in unserer Studie feststellen. Das Ziel der Forschungs- und Innovationspolitik in der Krise muss es daher sein, zu verhindern, dass Unternehmen ihre Innovationsaktivitäten einstellen.
2021: Jahr eins nach Corona
Michaela Reitterer
Präsidentin Österreichische Hotellerievereinigung
Photo: ÖHV
2020 hat uns allen viel abgerungen: Zwei Lockdowns, eine Achterbahn der Gefühle und etliche – nicht nur – wirtschaftliche Grenzerfahrungen später stehen wir noch immer da. Uns wurde vor Augen geführt, wie verletzlich das Erfolgsprodukt – Tourismus made in Austria – ist und was es für den Standort bedeutet, wenn die sonst so geölte Maschinerie nicht rund läuft.
Die Auswirkungen werden wir 2021, dem Jahr eins nach Corona, und noch weit darüber hinaus spüren. Vor allem bei der Stadthotellerie und den größeren Leitbetrieben, die die Krise besonders hart getroffen hat, stehen die Zeichen noch nicht auf Erholung. Hier braucht es dringend einen Rettungsschirm, um die Arbeitsplätze und Unternehmen abzusichern.
Wenn wir aus 2020 nur eine Lehre gezogen haben, dann sollte es diese sein: Wir müssen unsere Unternehmen resilienter machen. Im Tourismus heißt das vor allem: Eigenkapital der Betriebe stärken, den Faktor Arbeit entlasten und ihn mit neuen Konzepten nachhaltig absichern. Die Weichen dafür gehören jetzt gestellt, damit wir nach der Krise wieder voll durchstarten können. Denn nur dann ist sicher: Österreich ist und bleibt Tourismusweltmeister.
Wenn Krisen zu Chancen werden
Doris Bele, MSc
Vorstandsvorsitzende der FMA
Photo: Ludwig Schedl
Das Jahr 2020 wird uns noch einige Zeit in Erinnerung bleiben.
Wir wurden mit neuen Situationen und Herausforderungen konfrontiert. Die Krise hat gezeigt, dass das Facility Management eine zentrale Rolle spielt. Das Bewusstsein für Gesundheit und Hygiene wird in Unternehmen einen höheren Stellenwert einnehmen. Die Adaptierung der Arbeitsbedingungen und Umstellung auf das „Homeoffice“ ist eine der größten Herausforderungen, um eine größtmögliche Flexibilität bei der Sicherstellung des Geschäftsbetriebes zu erreichen. Zusätzlich werden wir uns noch schneller auf Risiko- und Krisensituationen einstellen und im Vorfeld Maßnahmen- und Aktionspläne parat haben müssen. Klimaschutz und Energieeffizienz sind die großen Herausforderungen unserer Zeit. Wenn wir bis 2050 eine kreislauforientierte Wirtschaft in Europa schaffen wollen, wird auch das Facility Management einen Beitrag leisten müssen. Die Nutzung und der Betrieb von Gebäuden und Infrastruktur sind für 30 % aller CO²-Emissionen verantwortlich. Dazu kommt das Erreichen der Sanierungsquote von 3 %, eine Verdreifachung des aktuellen Wertes, welche maßgeblich durch das Facility Management mitgestaltet werden kann. Damit wird nicht nur der Gebäudebetrieb, sondern auch der Gebäudebestand an sich, stärker in den Fokus rücken.
Branchencheck: Handel
Rainer Will
Geschäftsführer Handelsverband
Photo: Katharina Schiffl
Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den stationären Handel in Österreich sind verheerend. Die Branche musste heuer einen Einbruch der Konsumausgaben für Produkte und Dienstleistungen von mehr als 16,5 Milliarden Euro verkraften. Wir können nur hoffen, dass der Umsatzersatz für den zweiten Lockdown sowie der überarbeitete Fixkostenzuschuss II ein „KMU-Händlersterben“ im Frühjahr 2021 verhindern wird.
Im kommenden Jahr brauchen wir wieder ein Klima der Zuversicht, denn Konsum ist Psychologie. Nur so können wir es schaffen, die zuletzt auf 15 % gestiegene Sparquote zu reduzieren und in Transaktionen umzuwandeln, die hierzulande Arbeitsplätze sichern. Optimistisch stimmt uns zumindest die Entwicklung im Onlinehandel. Die Coronakrise war ein digitaler Urknall. Sie hat gezeigt, wie wichtig es für Händler ist, ein digitales Standbein zu haben. Wir erwarten dieses Jahr im eCommerce ein Umsatzwachstum von mehr als 17 %. Natürlich hoffen wir, dass ein Großteil davon bei den 13.500 heimischen Webshops und Plattformen landet. Der größte „Corona-Gewinner“ ist jedoch Amazon. Amazon Prime wird auch 2021 weiter zulegen, weil wir Konsumenten uns im Lockdown an den Online-Einkauf gewöhnt haben.
Wir müssen krisenresilienter werden und heute schon an morgen denken
Kurt Egger
Generalsekretär Wirtschaftsbund
Photo: Julius Hirtzberger
Die Corona-Pandemie hat unsere Wirtschaft dieses Jahr vor große Herausforderungen gestellt. Als Wirtschaftsbund haben wir uns stets dafür eingesetzt, dass unsere heimischen Betriebe bestmögliche Unterstützungsleistungen erhalten, um gut durch die Krise zu kommen. Maßnahmen wie etwa die Kurzarbeit, der Umsatzersatz, Fixkostenzuschuss oder Corona-Härtefallfonds haben Unternehmen und Arbeitsplätze gesichert. Jetzt müssen wir an morgen denken: Durch mehr Dynamik am Arbeitsmarkt und digitale Technologien werden Fortschritt und neues Wachstum möglich. Zudem müssen unsere Betriebe neben der operativen Krisenfestigkeit – etwa im Supply-Chain-Management oder der Kommunikation – auch strategisch krisenfester werden. Sich mit verschiedenen Szenarien zu beschäftigen kann die strategische Krisensicherheit stärken und das Mindset für Krisen nachhaltig ändern. So werden wir insgesamt dynamischer und flexibler. Schlussendlich wird der Erfolg der Unternehmen auch davon abhängen, wie plan- und berechenbar etwaige coronabedingte Maßnahmen kommuniziert werden und wie schnell versprochene Hilfen ankommen. Damit steht und fällt die Zukunft unserer heimischen Betriebe.