Amazon ist der größte Onlinehändler der Welt. Es hat den modernen eCommerce quasi erfunden und ist sagenhaft kundenorientiert. Alle, die schon mal bei Amazon eingekauft haben, können das bestätigen. Eine derartige Marktmacht hat aber auch ihre Schattenseiten.
Ing. Mag. Rainer Will
Geschäftsführer Handelsverband © Foto: Stephan Doleschal
Das Wachstum des Onlinehandels schreitet in Österreich in einem
beeindruckenden Tempo voran. Allein im letzten Jahr sind die Umsätze um
zehn Prozent gewachsen. Aber auch die Marktkonzentration steigt massiv.
Mittlerweile verzeichnet nur noch ein Bruchteil der 9.000 heimischen
Internethändler Umsatzzuwächse. Die zehn größten Webshops erwirtschaften
hierzulande mehr Umsatz als die folgenden 250, und fast jeder zweite
Euro wird bereits bei Amazon ausgegeben.
Zwei Seiten eines Händlers
Der heimische Onlinehandel ist deshalb in einer Schere gefangen. Das Hauptproblem ist die Doppelrolle des Marktführers: Amazon ist einerseits klassischer Onlinehändler, andererseits aber auch größter Marktplatz, auf dem sich andere Webshops listen lassen können. Viele Händler sind auf die Reichweite des Amazon Marktplatzes angewiesen. Amazon fungiert damit als Gatekeeper gegenüber den heimischen Konsumenten. Diese Doppelrolle birgt das Potenzial für Behinderungen anderer Händler auf der Plattform. Hinzu kommt: Amazon kann theoretisch die Daten seiner gelisteten Händler einsehen, deren Preise unterbieten und langfristig das gesamte Geschäft an sich binden.
Mittlerweile besitzt der US-Konzern die Kundendaten von 93 Prozent aller heimischen Onlineshopper und aller gelisteten Händler. Jeff Bezos kann diese nutzen, um etwa das Eigensortiment oder Eigenmarken wie „Amazon Basics“ zu stärken. Diese zunehmend monopolartige Entwicklung hat verheerende Auswirkungen für die österreichische Volkswirtschaft, für den Handel und mittelfristig für alle 600.000 Handelsbeschäftigten.
Datenriese im Verhör
In Österreich hat die Bundeswettbewerbsbehörde deshalb nach eine Beschwerde des Handelsverbandes ein Missbrauchsverfahren gegen Amazon eingeleitet, um fünf konkrete Geschäftsbedingungen und Verhaltensweisen gegenüber Händlern auf dem Amazon Marketplace zu überprüfen, etwa unbegründete und plötzliche Sperrungen von Händlerkonten, den unbegründeten Verlust von Produktrankings der Händler sowie Gerichtstandsklauseln, die eine Klage erschweren. Bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung durch das österreichische Kartellgericht gilt die Unschuldsvermutung.
Die EU-Kommission hat Amazon ebenfalls im Visier und kürzlich Untersuchungen eingeleitet sowie förmliche Auskunftsverlangen an die Marktplatzhändler gerichtet. Eine praxistaugliche Regulierung, die der Entwicklung entgegenwirkt, wurde bis dato aber noch nicht erlassen. Globalen oder zumindest europaweiten Lösungen stehen Partikularinteressen einzelner Länder und jahrelange Blockadehaltungen entgegen.
Steueroase Onlinehandel
Das Ziel lautet jedenfalls „FairCommerce“ – durch die Eliminierung mutmaßlich wettbewerbswidriger Klauseln und Formulierungen aus den Marktplatzverträgen sowie eine strikte Trennung der beiden Funktionsbereiche von Amazon. Das allein wird aber nicht reichen, denn seit Jahren instrumentalisieren Onlinehändler aus Drittstaaten den E-Commerce auch als Steuerparadies. Insbesondere Amazon und Alibaba dürfen sich – neben einer potenziell marktbeherrschenden Stellung durch die Kumulation unterschiedlichster Geschäftsbereiche – über unzählige Steuergeschenke freuen. So bezahlte Amazon in den USA 2018 keinerlei Gewinnsteuern. Im Gegenteil: Das Unternehmen bekam eine Steuergutschrift von 129 Mio. Dollar, obwohl sich der Gewinn auf 11 Mrd. Dollar verdoppelt hatte.
In den meisten EU-Staaten wiederum haften die E-Commerce-Plattformen Amazon, eBay, AliExpress und Wish (noch) nicht für die korrekte Abführung der Mehrwertsteuer von gelisteten Marktplatzhändlern aus Drittstaaten. Dadurch kämpft die Union mit einer Steuerlücke von 12 Prozent. Neben dem Steuerentgang verschafft dieser Umstand multinationalen Konzernen einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil: Produkte können wesentlich billiger angeboten und Gewinne gesteigert werden.
Sechs Hebel auch online
Handlungsbedarf besteht darüber hinaus bei der illegalen Steuerumgehung durch asiatische Handelsplattformen, die ihre Pakete im Cross-Border-Handel fast gänzlich zoll- und mehrwertsteuerfrei in die EU schleusen. Das Schadensausmaß durch entgangene Umsatzsteuerzahlungen liegt allein in Österreich bei mehreren 100 Millionen Euro. Möglich wird dies durch die geschickte Ausnutzung der sogenannten »De-Minimis-Regel«. Produkte unter einem Wert von 22 Euro werden bei der Einfuhr in die Europäische Union von der Mehrwertsteuer nicht erfasst – und bei mehreren 100 Millionen Paketen im Jahr tut sich der Fiskus schwer, die Wertangaben jeder einzelnen Sendung zu überprüfen. Auf lange Sicht empfiehlt der Handelsverband daher sechs Hebel für fairen Wettbewerb, die für den europäischen Handel überlebenswichtig sind.
Sechs Hebel für mehr Fairness auch online
Versteuerung und digitale Verzollung ab dem ersten Cent
Die Einfuhrumsatzsteuerbefreiung bis 22 Euro sollte spätestens 2020 abgeschafft werden. Sinnvoll wäre eine digitale Verzollung mit Vorab-Versandmeldungen nach dem Vorbild Schwedens.
EU-weite Konditionen bei pauschaler Palettenverzollung
Großbritannien, Polen und die Niederlande haben extrem günstige Konditionen bei der Verzollung von Paletten aus Asien. Um den Tarifwettbewerb zu beenden, ist eine EU-weite Regelung erforderlich.
Online-Marktplätze bei Mehrwertsteuer zur Verantwortung ziehen
Ab 2021 wird Online-Markplätzen in der EU die Verantwortung dafür übertragen, die fällige MwSt für gelistete Händler abzuführen. Bis dahin muss eine Zwischenlösung gefunden werden.
E-Commerce-Monopole gesetzlich verhindern
Marktmächtige Plattformen sollten dazu verpflichtet werden, gewerblichen Nutzern diskriminierungsfrei Zugang zu gewähren, eine Gleichbehandlung der gelisteten Händler sicherzustellen und Teile ihrer Daten anonymisiert offenzulegen.
Plattform-Haftung für Verpackungsentpflichtung
Auch E-Commerce-Plattformen aus Drittstaaten sollten für das Inverkehrbringen von Verpackungen ein Entpflichtungsentgelt bezahlen, mit dem die Müllentsorgung finanziert wird.
Einführung der digitalen Betriebsstätte
Durch die digitale Betriebsstätte sollen künftig auch E-Commerce-Plattformen ohne physische Präsenz fair besteuert werden.