Jeder Händler sollte sich überlegen, ob sein Vertrieb auf mehrere Kanäle ausgeweitet werden soll. Das Ladengeschäft kann z.B. um einen Onlineshop oder eine Marktplatzpräsenz ergänzt werden.
Stefan Weinfurtner
Senior Consultant, ibi research an der Universität Regensburg GmbH © Foto: ibi research
Der Einzelhandel befindet sich immer noch mitten in einem strukturellen Wandel, der durch den weiter stark zunehmenden E-Commerce verschärft wird. Besonders betroffen ist durch diesen Wandel der mittelständische, insbesondere der stationäre Einzelhandel, der das Rückgrat des Einzelhandels bildet. Der Wandel ist bei Weitem noch nicht abgeschlossen.
Alle Einzelhändler sollten sich gerade deshalb mit dem Thema Internet und Onlinehandel auseinandersetzen und ihre aktuelle strategische Positionierung überdenken. Dabei treten oft sehr grundsätzliche Fragestellungen auf. Jeder Einzelhändler sollte entscheiden, ob und wie er sich im E-Commerce aufstellt. Allerdings existiert kein allgemeingültiges Patentrezept für die Wahl der geeigneten E-Commerce-Strategie: Der Ausgangspunkt muss stets die individuelle Situation des Händlers sein.
Sowohl die lokalen Einzelhändler als auch die reinen Onlinehändler stehen vor der Herausforderung, sich den Gegebenheiten des sich verändernden Marktes erfolgreich anzupassen.
Mehr Wege – mehr Sinn?
Der aufeinander abgestimmte Multikanalvertrieb stellt eine dieser Entwicklungen dar, die es aktuell zu verzeichnen gilt. Damit sind das Angebot von verschiedenen Verkaufskanälen wie das lokale Ladengeschäft, der Onlineshop, der Katalog oder aber auch mobile Vertriebswege gemeint. Langfristig werden wohl vor allem die Händler erfolgreich sein, die ihre Kunden über verschiedene Kanäle ansprechen.
Der Vertrieb über mehrere Wege kann Vor- und Nachteile haben. Besonders wichtig ist es, den Überblick zu wahren. Preisgestaltung, Warenbestand, Auslieferung usw. müssen miteinander verzahnt sein, um Kunden nicht zu enttäuschen und die Vorteile des Mehrkanalvertriebs nicht zu verspielen. So ist Vorsicht geboten, wenn Bestellungen über unterschiedliche Kanäle eintreffen und auf den gleichen Warenbestand zugreifen.
Kannibalen im System
Auch sollte man sich grundsätzlich überlegen, welche Produktpalette über das Internet verkauft werden soll. Alle Produkte, die es auch im Ladengeschäft gibt, oder vielleicht mehr oder weniger? Zudem gilt es, für die verschiedenen Vertriebskanäle die Preisstruktur festzulegen. Soll beispielsweise das Produkt im Internet billiger sein als im Ladengeschäft oder bei der telefonischen Bestellung?
Zu beachten ist hierbei insbesondere, dass die Kanäle nicht isoliert betrachtet werden dürfen, sondern sich gegenseitig sowohl positiv als auch negativ beeinflussen können. Negativ heißt dabei, dass sich der Verkauf von Produkten vom Ladengeschäft auf das Internet verlagern kann, was in der Folge zu einem geringeren Umsatz bei etwa gleichbleibenden Kosten im Offlinehandel führen kann. Man spricht hierbei von Kannibalisierungseffekten.
Angebot & Abholung
Das Zusammenspiel der beiden Kanäle kann jedoch auch zu einer Steigerung des Absatzes führen, z. B. weil die potenziellen Kunden einem Onlineverkäufer, den sie aus der realen Welt kennen, eher vertrauen als einem anonymen Shop. Das Angebot im Internet kann sich zudem positiv auf die anderen Vertriebskanäle auswirken. So bieten einige Onlineshops die Möglichkeit, die Bestellung im Ladengeschäft abzuholen.
Arbeiten die Vertriebskanäle also gut zusammen, dann lassen sich durchaus zahlreiche Vorteile realisieren. Jedoch dürfen die beschriebenen Gefahren nicht leichtsinnig außer Acht gelassen werden, um wirklich einen erfolgreichen Multikanalvertrieb zu etablieren.
Alles in Allem weist der Multikanalvertrieb großes Potenzial für Händler auf. Zwar wird der Großteil der Umsätze auch im Jahr 2020 – und noch weit darüber hinaus – offline erzielt werden. Doch die beiden „Welten“ On- und Offlinehandel sind nicht strikt voneinander getrennt und können sich daher gegenseitig befruchten.